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Unerwartete Unwetterlage

Kategorie: Nationales Feuerwehrteam des Jahres

Name der Feuerwehr: Freiwillige Feuerwehr Übersee am Chiemsee (Bayern)

Name des Einsatzes: Großschadenslage bei Festival

Am Freitagabend, 18.08.2017 stellte aufgrund einer zu erwartenden Unwetterlage die Freiwillige Feuerwehr Übersee ab 20:52 bis etwa 3 Uhr früh 62 aktive Feuerwehrfrauen und -männer für bevorstehende Einsätze. Wertvolle Unterstützung kam von den Feuerwehren Ruhpolding, Siegsdorf, Reit im Winkl, Grassau, Grabenstätt, Marquartstein, Staudach und von der Kreisbrandinspektion. Ebenfalls zur Unterstützung angerückt waren das Technische Hilfswerk und Sondereinheiten für Großschadenslagen der Berufsfeuerwehr München. Unter der Gesamteinsatzleitung der Freiwilligen Feuerwehr Übersee waren in dieser Nacht mehrere „Sonderlagen“ abzuarbeiten und insgesamt 190 Feuerwehreinsatzkräfte zu koordinieren.

Noch bevor das Festivalgelände geräumt wurde bildete man im Feuerwehrhaus Übersee eine Gesamteinsatzleitung der Feuerwehr und wies die anrückenden Kräfte verschiedenen Abschnitten zu. Sowohl für den Ort als auch für das Festivalgelände wurden Einsatzkräfte vorgehalten und Einsatzabschnitte gebildet. Vorbereitungen für eine mögliche bevorstehende Evakuierung wurden ebenfalls getroffen.

Als die ersten Notrufe und Aufträge der Koordinierungsgruppe bei der Feuerwehr eingingen, wurden die Einsätze nach Priorität geordnet. Wichtigste Aufgabe war die Wiederherstellung der Infrastruktur: mehrere wichtige Zufahrtsstraßen und Rettungswege waren durch große umgestürzte Bäume nicht befahrbar. Damit Rettungswägen und Shuttlebusse die gemäß Räumungs- und Evakuierungsplan vorgesehenen Strecken befahren konnten, beseitigte die Feuerwehr zuerst alle Bäume auf diesen Straßen. Zeitgleich rückten weitere Rettungsmittel von Feuerwehr, Malteser und Rotem Kreuz in die Bereitstellungsräume an, was unter erheblichem Zeitdruck eine genaue Koordinierung der Einsatzkräfte nötig machte. Parallel zu den Baumbeseitigungs-Einsätzen befuhren die geländegängigen Buggies die Zeltplätze und suchten nach hilfsbedürftigen oder möglicherweise verletzten Personen.

Da eine Unfall-Hilfsstation der Malteser neben dem Festivalgelände nicht mehr genutzt werden konnte, wurde spontan ein Teil des Feuerwehrhauses zu einem zentralen Behandlungsplatz umgebaut. Mehrere Verletzte und schutzsuchende Personen wurden registriert, medizinisch gesichtet, versorgt und auch betreut. Vom Feuerwehrhaus aus transportierten Rettungswägen die Verletzten in umliegende Krankenhäuser. 

Über Notruf an die Einsatzzentrale der Feuerwehr Übersee wurden mehrere eingeschlossene Personen am Chiemseeufer gemeldet. Ebenfalls durch umgestürzte Bäume - teils auch auf und zwischen den Fahrzeugen - konnten etwa 500 Personen nicht mehr vom Chiemseeufer abreisen. Dieser Einsatzabschnitt musste als zeitkritisch eingestuft werden, damit niemand in den Fahrzeugen von umstürzenden Bäumen verletzt wird. Seestraße und Julius-Exter-Promenade waren zeitweise nicht befahrbar. Stück für Stück schnitten die Einsatzkräfte die Straße frei und ermöglichten so die geordnete Abreise der Seebesucher.

Im weiteren Verlauf rückte die Feuerwehr Übersee mit dem „Hilfeleistungssatz Bahnunfall“ und speziell geschultem Personal zu einem Einsatz auf der Bahnstrecke Richtung Salzburg aus. Im Bereich von Sossau war ein Baum ins Gleisbett und auf die Oberleitung gestürzt, hat diese beschädigt und begann zu brennen. Auf Anfrage der Integrierte Leitstelle Traunstein ordnete man über die Koordinierungsgruppe diesen Einsatz zur taktischen Abwicklung dem Chiemsee-Summer-Festival zu.

Vorbereitete Notfallpläne für eine Zugevakuierung und Unterbringung der Bahnreisenden in Notunterkünften wurden umgehend umgesetzt. Mit kleinen Mannschaftstransportern überführten die Feuerwehren auf dem schmalen Feldweg neben der Bahnlinie etwa 90 Passagiere in eine vorbereitete Notunterkunft nach Grabenstätt. Problematisch an diesem Einsatz war wieder der Zeitdruck: Da der Zug nur noch mit Batteriereserven betrieben wurde, drohten laut Notfallmanager Beleuchtung und Klimaanlage im Zug in absehbarer Zeit auszufallen. Je länger die Sperre der Bahnstrecke dauerte, umso komplizierter wurde es zudem, den Festivalbesuchern eine Abreise zu ermöglichen.

Zwei weitere Notfallmeldungen haben zumindest zeitweise die Koordinierungsgruppe und die Einsatzleitung am Feuerwehrhaus Übersee in Atem gehalten. Ein Segelboot mit mehreren Personen an Bord, das von der Herreninsel aus Richtung Chiemsee-Ostufer unterwegs war, war im Heimathafen nicht angekommen. Ein Wassernoteinsatz wurde ausgelöst und Kräfte aus dem Bereitstellungsraum dafür freigestellt; glücklicherweise wurden die Personen aber einige Zeit später unverletzt in Sicherheit gefunden. Einem zweiten Notruf über mehrere umgestürzte Bäume auf der Autobahn ging ein Hilfeleistungsfahrzeug der Feuerwehr Übersee nach. Da die Strecke in Bereich Übersee frei war, musste hier nicht eingegriffen werden.

Der über Jahre optimierten Vorbereitung und Planung dieses Großereignisses seitens der Feuerwehr und aller anderen beteiligten Organisationen ist es zu verdanken, dass sogar dieser äußerst heftige Sturm und die daraus folgenden Herausforderungen professionell und strukturiert bewältigt werden konnten.