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Mehrtägige Unwettereinsätze

Kategorie: Nationales Feuerwehrteam des Jahres

Name der Feuerwehr: Freiwillige Feuerwehr Bad Gandersheim (Niedersachsen)

Name des Einsatzes: Mehrtägige Unwettereinsätze

Gegen 16:40 Uhr entlud sich zunächst eine Gewitterzelle mit Sturzregen über dem Ortsteil Gehrenrode, was um 16:45 Uhr die Alarmierung der Ortsfeuerwehr Gehrenrode und der Stützpunktfeuerwehr Altgandersheim wegen mit Regenwasser vollgelaufener Keller bzw. Garagen in der Ortslage von Gehrenrode auslöste. Durch den Einsatz einer Tragkraftspritze und einer Tauchpumpe konnte hier schnell Hilfe geleistet werden.

Die Stützpunktfeuerwehr Altgandersheim wurde unmittelbar wieder aus diesem Einsatz herausgelöst, da sich eine weitere Gewitterzelle über dem westlichen Höhenzug des Hebers mit Regenmengen von über 110 Litern pro Quadratmeter in weniger als zwei Stunden entlud. Das abfließende Wasser aus dem Wald und den Feldern führte zudem jede Menge Gehölz und Schlamm mit. Die Kreisstraße zwischen Gehrenrode und Helmscherode war zu diesem Zeitpunkt bereits nur schwer passierbar und wurde von der alarmierten Ortsfeuerwehr Helmscherode gesperrt. Da sich die Unwetterlage auch im Ortsteil Helmscherode zuspitzte, wurden alle verfügbaren Einsatzkräfte aus Helmscherode in der Ortslage eingesetzt. Ein Erreichen des Ortsteils Helmscherode war für weitere Einsatzkräfte über Stunden nicht mehr möglich.

Zeitgleich trafen die Wassermassen in den Ortsteilen Gremsheim, Ackenhausen mit dem Seminarhotel „Alte Mühle“ und Altgandersheim ein. Nach und nach wurden alle 15 Ortsfeuerwehren der Stadt Bad Gandersheim mit dem Einsatzstichwort „Unwettereinsatz“ im Stadtgebiet zu den Einsatzstellen gerufen. Zudem wurde bereits in der Anfangsphase des Einsatzes zunächst eine örtliche Einsatzleitung in Altgandersheim mit dem Einsatzleitwagen der Schwerpunktfeuerwehr Bad Gandersheim und der technischen Einsatzleitung Kreisfeuerwehr Landkreis Northeim Brandschutzabschnitt Nord-Ost eingerichtet.

Da die enormen Wassermassen nur in Richtung Kernstadt über die Gande abfließen konnten, übernahmen die Einsatzkräfte der Schwerpunktfeuerwehr Bad Gandersheim Vorkehrungen zum Schutz der historischen Altstadt, der an der Gande liegenden Kliniken, Wohn- und Geschäftshäusern sowie des Sole-, Frei- und Hallenbades. Diese Maßnahmen sorgten dafür, dass die Kernstadt mit einem blauen Auge davon gekommen ist und keine Schäden zu verzeichnen waren. Zur weiteren Unterstützung in der Heberbörde wurden die Umweltfeuerwehr Kreisfeuerwehr Northeim FB IV und Einheiten des Technischen Hilfswerk aus Einbeck und Northeim sowie der Berufsfeuerwehr Göttingen mit Spezialgerät wie Radladern, LKW mit Mulden, Pumpen und Stromerzeugern angefordert.

Im Ortsteil Gremsheim strömten die Wassermassen mit enormer Geschwindigkeit und einer Wasserwand von fast einem Meter Höhe durch den Ort und zerstörten das komplette Außengelände des Kindergartens, eine massive Scheunenwand wurde herausgerissen, Gebäude überflutet und Straßenzüge unterspült. Nach dem Ablaufen des Wassers wurden durch die Ortsfeuerwehr Gremsheim mit Unterstützung weiterer Ortsfeuerwehren vollgelaufene Keller ausgepumpt und soweit es ging die Straßen vom Schlamm gereinigt. Die Einsturz gefährdete Scheune wurde vom Baufachberater des THW begutachtet und der Bereich weiträumig abgesperrt.

In Altgandersheim trafen die Wassermassen aus Richtung Gehrenrode über die Gande, aus Richtung Helmscherode über den Steinbach, aus Richtung Altgandersheimer Wald und aus Richtung Gremsheim über den Luhebach ein. Die Anwohner im Steinbach konnten aufgrund der Rasanz der Ereignisse ihre bis zu 150 Zentimeter vollgelaufenen Häuser nicht mehr verlassen und wurden von der Feuerwehr mit einem wattfähigen Fahrzeug des Deutschen Roten Kreuzes gerettet. Nicht gesicherte Öltanks trieben auf, Autos, Gartenmauern und schwere Findlinge wurden einfach weggespült und auch hier Straßenzüge unterspült. 

Oberste Priorität hatte natürlich die Rettung von Menschen und Tieren aus den Gefahrenbereichen unter Beachtung der eigenen Sicherheit. Mit vereinten Kräften wurde sich nachdem das Wasser abgeflossen war daran gemacht, Keller und Wohnungen leer zu pumpen, diese auszuräumen und die Straßen wieder halbwegs passierbar zu machen. In Altgandersheim war besonders die Turner-Musik-Akademie betroffen. Hier standen mehr als zwei Millionen Liter Wasser im Gebäude. Davon waren die gesamte Technik mit Heizung, Lüftung und Elektrizität betroffen, wie auch die Übernachtungszimmer mit kompletten Mobiliar im Untergeschoss.

Während des gesamten Einsatzes war die Stromversorgung im Ortsteil Altgandersheim unterbrochen und es mussten zum Betrieb von Beleuchtung und elektrischen Pumpen Stromaggregate eingesetzt werden. Die bis dahin über 350 tätigen Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Bad Gandersheim wurden zwischen zwei und fünf Uhr am 30.Mai 2018 aus dem Einsatz entlassen und in die Ruhephase geschickt. Ein Löschzug der Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Einbeck mit ca. 60 Einsatzkräften hatte die Ablösung bis zum nächsten Vormittag übernommen. Ab 9:30 Uhr wurden die Einsatzkräfte aus den 15 Ortsfeuerwehren der Stadt Bad Gandersheim wieder langsam hochgefahren. 

Dekontaminierte Bereiche wurden unter Aufsicht der Feuerwehr durch angeforderte Spezialfirmen leergepumpt und gereinigt, um Umweltschäden zu vermeiden. Der Einsatz in Altgandersheim endete dann in etwa gegen 22:00 Uhr. Auch in diesem Jahr war der Ortsteil Ackenhausen an den markanten Punkten erneut stark betroffen. Die Ortsfeuerwehr Ackenhausen mit Unterstützung weiterer Ortsfeuerwehren führten Schutzmaßnahmen durch und pumpten anschließend vollgelaufene Keller leer, halfen den betroffenen Bürgerinnen und Bürger und reinigten die Straßen. Da die Ortsfeuerwehr Ackenhausen im Ort gebunden war, übernahmen die Kameradinnen und Kameraden der Ortsfeuerwehr Wolperode die Hilfeleistung am Seminarhotel „Alte Mühle“ in Ackenhausen. Hier waren große Teile des Seminarhotels mit Keller, der einzelnen Wohnhäuser und die Außenanlage komplett mit den Wassermassen vollgelaufen und verunreinigt. Die Aufräum- und Reinigungsarbeiten zogen sich auch in Ackenhausen noch die nächsten Tage hin. 

Die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Bad Gandersheim mussten immer wieder Aufräumarbeiten unterbrechen, da Führer von Personenkraftwagen wegen Überflutung gesperrter Straßen dennoch befahren hatten, mit dem Fahrzeug wegen Motorschaden zum Halten kamen und aus der lebensbedrohlichen Situation gerettet werden mussten.

Die Einsatzkräfte wurden durch die Bereitschaft des Deutschen Roten Kreuzes Altes Amt, die Kreisfeuerwehrbereitschaft I des Landkreises Northeim und das Landgasthaus Köhler Altgandersheim während der gesamten Einsatzzeit mit Getränken und Essen versorgt. Mit Fahrzeugen, Pumpen, Aggregaten und Personal halfen Einsatzkräfte aus den Städten und Gemeinden Kalefeld, Einbeck, Katlenburg-Lindau und Northeim.

Diese Einsatzlagen haben sich dann am 1. Juni 2018 um 12:15 Uhr nach einem erneuten Starkregenereignis in den Ortsteilen Gremsheim, Ackenhausen, Altgandersheim und Helmscherode wiederholt und in etwa die gleiche Schadenslage wie am 29. Mai 2018 war erneut abzuarbeiten. Als Besonderheit sind die überflutete Kirche in Harriehausen und vollgelaufene Keller im Bereich der Kernstadt zu nennen. 

Am 2. Juni 2018 haben dann die Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Bad Gandersheim auch noch die Open-Airport-Musik-Veranstaltung der Stadtjugendpflege Bad Gandersheim mit dem Brandsicherheitswachdienst, dem Absperrdienst und der Bewirtung gestemmt.

Nach vier Tagen Einsatzruhe angesichts Unwettereinsätzen zog erneut ein Gewitterschauer über den Äbtissinnenberg bei Ellierode und über den Heber bei Altgandersheim in den Abendstunden des 7.Juni 2018 mit Niederschlag lang. Diese Schadenslage erstreckte sich Gottseidank nur auf ein paar überflutete und verschmutzte Fahrbahnbereiche, die schnell von den Einsatzkräften aus Harriehausen, Hachenhausen, Wrescherode, Altgandersheim und Bad Gandersheim abgearbeitet werden konnten.

Neben der Abarbeitung der genannten Großschadenslagen musste der Brandschutz und die Hilfeleistung im gesamten Stadtgebiet Bad Gandersheim und den angrenzenden Gebieten mit Bundesautobahn und ICE-Schnellfahrstrecke weiterhin gewährleistet werden.

Spendenaufrufe und Aktionen von Kirche, Feuerwehren und des Kreisfeuerwehrverbandes trugen dazu bei, die vielen vor dem Nichts betroffenen Familien zu unterstützen und Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Verbände, Kirche und Feuerwehr sich noch mehr respektieren und für einander einstehen.